3D-gedruckter Nashorn-Schädel
Moderne Technologien ermöglichen Forschern neue Erkenntnisse
Durch industrielle Bildgebungsverfahren und 3D-Druck lassen sich ausgestorbene Spezies für Wissenschaft und Forschung erlebbar machen und neue Informationen zu ihren Lebensumständen gewinnen.
Wenn Paläontologen und Naturwissenschaftler Filme wie Jurassic Park sehen, steht bei den meisten wohl weniger die spannende Handlung im Vordergrund, sondern vielmehr die Frage, auf welcher Grundlage die Filmproduzenten in Hollywood sich so genau mit dem Verhalten und den Bewegungen von längst ausgestorbenen Arten auskennen. Die meisten Fachleute auf diesem Gebiet können selbst nach jahrzehntelanger Forschung nur vage Aussagen zum Leben eines Ankylosaurus treffen und auch diese Forschungsergebnisse sind in der Fachwelt meist hochumstritten.
Das zugrunde liegende Problem ist, dass von den Relikten der Tiere nur wenig Rückschlüsse auf ihre tatsächlichen Lebensumstände mit Sicherheit festgestellt werden können und harte Fakten aufgrund der rein oberflächlichen Analyse nur schwer zu nennen sind. Ein Problem, dass sich nicht nur in der Paläontologie findet, sondern zunehmend auch auf andere Zweige der biologischen Forschung ausgeweitet werden muss. Durch Veränderungen wie dem Klimawandel, dem Verschwinden von Lebensräumen und nicht zuletzt Wilderei durch den Menschen sind auch immer mehr Arten aus der aktuellen Tierwelt vom Aussterben bedroht oder bereits von der Erde verschwunden. Glücksfälle wie das für ausgestorben gehaltene und kürzlich wiederentdeckte Wondiwoi-Baumkänguru sind selten und Forschungszentren wie das Centrum für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg, das sich mit Biodiversitäts- und Evolutionsforschung beschäftigt, müssen kreativ werden, um verlässliche Forschungsergebnisse zu erhalten.
Den Wissenschaftlern spielt dabei die Unterstützung durch modernste Röntgentechnologie in die Karten. Neueste Entwicklungen ermöglichen Ansätze, die vor zehn Jahren noch nicht denkbar waren. Insbesondere Detailanalysen durch die heutige hochauflösende Computertomographie und darauf basierende 3D-gedruckte Modelle bieten bei der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit ganz neue Möglichkeiten.
Digitalisiertes Nashorn
Eine dieser kreativen Lösungen zur Erforschung bedrohter oder ausgestorbener Spezies kam bei einem der naturwissenschaftlichen Inventarstücke des CeNak zum Einsatz. Im Rahmen der Ausstellung „Verschwindende Vermächtnisse: Die Welt als Wald“ sollte insbesondere auch auf das Sumatra-Nashorn aufmerksam gemacht werden. Einen Schädel der Tierart, von der es schätzungsweise nur noch etwa 100 lebende Tiere gibt, besitzt das CeNak seit den 1920er Jahren. Jedoch gestalteten sich die genauen Rückschlüsse auf Struktur und Aufbau des Knochens in der Vergangenheit schwierig.
Für die Ausstellung sah Prof. Dr. Thomas Kaiser, Leiter der Mammalogie und Paläoanthropologie am CeNak, die Gelegenheit gekommen, sich fähige Partner zur genaueren Untersuchung des Schädels zu suchen. Die Wahl des Experten fiel auf YXLON International, einem Spezialunternehmen mit Fokus auf industrielles Röntgen und Computertomographie. Das Ziel des Forschers war es, einen 3D-Scan des Schädels zu erstellen, der in der Ausstellung zum einen auf die Ausrottung der stark bedrohten Art aufmerksam machen, zum anderen aber auch der wissenschaftlichen Erforschung des Säugetiers dienen sollte.
Bei dem Unternehmen Yxlon, das sich normalerweise mit Gussteilen, Motoren oder Elektronik beschäftigt, fällt dieser sehr anspruchsvolle Auftrag unter die stark wachsende Nachfrage nach Anwendungen in naturwissenschaftlichen Bereichen. Bei bisherigen Scans untersuchte Yxlon dabei eher kleine Tiere wie Frösche, Schlangen, Fossilien oder einzelne Organe von Tieren; der um ein Vielfaches größere Schädel des Sumatra-Nashorns stellte daher eine bemerkenswerte Herausforderung dar. „Bei so großen Präparaten muss man eine entsprechend große Anlage und spezielle Aufnahmeverfahren verwenden, um am Schluss die maximale Auflösung zu erhalten“, erklären Dr. André Beerlink und Philip Sperling, Sales Manager Science & New Materials bei Yxlon. Die Wahl fiel schließlich auf das YXLON FF85 CT System mit dem Dual-Helix-Verfahren, bei dem der Schädel während des Scanvorgangs mehrmals rotierend aufgenommen wurde, um ihn komplett in einer guten Auflösung abzubilden. So konnte das Ziel der Wissenschaftler um Prof. Dr. Kaiser, ein möglichst realistisches und hochauflösendes digitales 3D-Volumen zur Simulation biomechanischen Verhaltens zu erhalten, erreicht werden.
Genau bis auf den Mikrometer
Nach dem Tomographieren sowie einiger Nachbearbeitung der Rohdaten und Scandateien konnte das fertige Werk bestaunt werden. Die Experten von Yxlon hatten es geschafft, eine akkurate digitale Nachbildung des Nashornschädels zu erstellen. Dabei waren alle am Scan beteiligten Akteure überrascht, welches Detailreichtum der Scan aufwies. Feinste Strukturen von nur ca. 100 Mikrometern konnten selbst im Inneren des Schädels durch den Computertomographie-Scan und das besondere Dual-Helix-Verfahren erfasst und nachgebildet werden. Das digitale 3D-Volumen lieferte den Forschern dabei eine Unmenge an neuen Informationen, die bei den bisherigen Forschungen im Verborgenen geblieben waren. Durch die neuen Einsichten in den Knochenbau und die biomechanischen Stellungen der beiden Kieferteile zueinander, konnten die Wissenschaftler bereits einige Aussagen zum Alter, der Ernährung und der Lebensweise des Tieres sammeln, die so noch nicht bekannt waren.
Neben der Ausstellung des CeNak, bei der der kolorierte Schädelscan als visualisiertes, verfremdetes Objekt auf die Situation der von der Ausrottung bedrohten Tierart aufmerksam machen sollte, diente das digitale 3D-Volumen auch für die biomechanische Simulation der Kieferbewegungen. Durch Finite-Elemente-Simulationen konnte mittels des gescannten Schädels die Verteilung der Kräfte im Kiefer und Schädel studiert werden. Die daraus gezogenen Rückschlüsse auf die Morphologie des Knochenbaus lassen weitere tiefgreifende Rückschlüsse auf die Lebensumstände des Tieres zu. Im Fall des Sumatra-Nashorns könnten diese Daten im besten Fall Lebensräume aufzeigen, die sich zur Neuansiedlung der bedrohten Art eignen und ein gänzliches Aussterben im Optimalfall verhindern könnten.
Für die Wissenschaftler um Prof. Dr. Kaiser und die Kuratoren der Ausstellung des CeNak stellt der Scan des Schädels daher die Grundlage für weitere Forschungsarbeiten und Ausstellungen dar. Aber auch für Yxlon selbst war der Sachverhalt mit dem fertigen Scan längst nicht abgeschlossen.
Trophäenjagd ohne Opfer – 3D-Druck ermöglicht täuschend echte Nachbildung
Aufgrund des hohen Aufwands und der außergewöhnlichen Qualität und Rarität des Scans war für Yxlon schnell klar, dass dieses Projekt ein wichtiger Showcase für die Fähigkeiten seiner modernen CT-Systeme und für die Expertise des Unternehmens ist und der Scan des Sumatra-Nashorn-Schädels als besonderes Juwel zum Einsatz kommen sollte. Dabei hatten die Kollegen einen engen Zeitrahmen vorgesehen, um ihn gebührend auf der nächsten Messe zu präsentieren.
Noch auf einer Dienstreise in New York wurden sie bei Recherchen im Internet auf Protolabs, einen Hersteller kundenspezifischer Prototypen und Kleinserien mittels additiver Fertigung sowie Spritzguss und CNC-Verfahren, aufmerksam. Da man unterwegs nur über den gespeicherten Scan des Schädels verfügte, kam der online einfach zugängliche Datenupload und Bestellservice von Protolabs sehr gelegen. Das Unternehmen verspricht, auch komplizierte Dateien und Konstruktionen in kurzer Zeit in einer breiten Palette an Materialen zur Verfügung zu stellen und dabei dennoch so intuitiv und einfach wie möglich für den Anwender zu bleiben. Bereits am nächsten Tag meldeten sich die Experten von Protolabs, um das weitere Vorgehen des auch für sie außergewöhnlichen 3D-Drucks zu besprechen.
Trotz der knapp bemessenen Zeit bis zur Eröffnung der Messe und der kurzen Vorlaufzeit für den eigentlichen 3D-Druck, sowie obligatorische Anpassungen des Scans zur Durchführbarkeit des additiven Verfahrens, gelang es den Experten von Protolabs, den Schädel des Sumatra-Nashorns täuschend echt nachzubilden. Selbst kleinste Details des Originals können in dem Modell erkannt werden, einzig das Material ist ein anderes: Statt aus Knochen besteht das 3D-gedruckte Modell aus dem Material Accura Xtreme White 200 und ist farblich etwas heller und weist keine Verfärbungen auf. Philip Sperling und Dr. André Beerlink sind von der Qualität begeistert: „Für unsere Kunden, Partner und auch uns ist es äußerst spannend, dass wir die Möglichkeit haben, CT-Scans erfahr- und tastbar zu machen, und dass Protolabs die sehr feinen Details dieses Sumatra-Nashornschädels in der gleichen Qualität drucken konnte. Die beeindruckend schnelle Verarbeitungszeit und kompetente Beratung bei diesem komplizierten Unterfangen runden unsere positiven Erfahrungen mit Protolabs noch ab.“
In Zukunft könnten solche 3D-gedruckten Modelle allerdings nicht nur als Showcase auf Messen Verwendung finden. Das Beispiel des Sumatra-Nashorns hat gezeigt, dass mithilfe von CT-Scanverfahren und additiver Fertigung täuschend echte Nachbildungen von seltenen Fossilien entstehen können, die für die Forschung und Lehre von unschätzbarem Wert sind. Mithilfe der modernen Technologien können Rückschlüsse auf die Lebensweise und das Verhalten von Tieren gezogen werden, und zugleich entstehen anschauliche Forschungsgegenstände für Versuche und weitere Forschungen zu Lebewesen, die unsere Erde längst nicht mehr bewohnen. So sieht dies auch Daniel Cohn, Geschäftsführer von Protolabs Deutschland:
„Auch wenn der Nachdruck von Fossilien eine besondere Herausforderung darstellt, lohnen sich alle Anstrengungen für eine so detailgetreue Nachbildung. Wir sind stolz darauf, dass wir mit unseren Nachbildungen der Wissenschaft einen großen Dienst erweisen und wir damit einen Beitrag zum Artenschutz leisten können.“